So., 03.09.2023 , 08:58 Uhr

Baden-Württemberg: Arbeit hinter Gittern - Land überprüft Stundenlohn von Häftlingen

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Stundenlöhnen für Gefangene stellt Baden-Württemberg seine Regelungen und Gesetze auf den Prüfstand. Es sei noch unklar, ob die von den Karlsruher Richtern kritisierte Entlohnung in Bayern und Nordrhein-Westfalen auch in den baden-württembergischen Gefängnissen angepasst werden müsse und um welchen Betrag, teilte das Justizministerium auf Anfrage mit. Sicher sei aber, dass das Land in den kommenden beiden Jahren ein neues und vom Gericht gefordertes Konzept für die Resozialisierung seiner Gefangenen erstellen werde. Dies könne sich auch auf die Höhe der Löhne auswirken. Das Bundesverfassungsgericht hatte Mitte Juni zwei arbeitenden Häftlingen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen Recht gegeben. Sie hatten gegen die Höhe ihrer Vergütung geklagt. Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger für Gefangene sind demnach verfassungswidrig, wenn dahinter kein wirksames Konzept zur Resozialisierung der Betroffenen steht. Gefangene müssten Sinn und Nutzen von Arbeit erkennen. In Baden-Württemberg liegen die Stundenlöhne von Gefangenen laut Justizministerium zwischen 1,53 und etwa 2,55 Euro – abhängig von der Art der Arbeit. In der Sicherungsverwahrung wird etwas mehr gezahlt. Gearbeitet wird zum Beispiel in der Schreinerei der Haftanstalt, in der Schlosserei, der Polsterei oder auch als Buchbinder und Mediengestalter. Zum einen erstellen Gefangene Gegenstände, die vom Gefängnis verkauft werden. Zum anderen produzieren sie für externe Unternehmen. Strafgefangene sind in Deutschland gesetzlich zur Arbeit verpflichtet. Mindestlohn gilt in JVAs nicht, da es nicht um Arbeit im eigentlichen Sinne, sondern um Resozialisierung der Straftäter gehen soll. Neben Geld und regulären Urlaubstagen bekommen Häftlinge auch zusätzliche Freistellungstage. Ob die ihnen zugewiesenen Aufgaben sie auch tatsächlich auf ein Leben in Freiheit vorbereiten, ist bei den Häftlingen ebenso umstritten wie bei ihren Interessenvertretungen und zuletzt auch bei den Verfassungsrichtern. „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nehmen wir zum Anlass, im Rahmen eines länderübergreifenden Austausches ein Gesamtkonzept zu erarbeiten“, sagte Justizministerin Marion Gentges der Deutschen Presse-Agentur. Es müssten in jedem Fall die besonderen Umstände des Justizvollzugs und die Verantwortung des Landes auch für die Gefangenen berücksichtigt werden. „Das ist Teil einer sorgfältigen Abwägung und verbietet jeden Schnellschuss“, sagte die CDU-Ministerin. Für das geforderte Resozialisierungskonzept habe das Bundesverfassungsgericht komplexe Abwägungsentscheidungen vorausgesetzt, sagte ein Sprecher des Justizministeriums. Alleine will das Land diese aber zunächst nicht treffen: Da sich auch andere Länder mit der Frage des gerechten Stundenlohns auseinandersetzen, sei ein länderübergreifende Absprache sinnvoll, sagte der Ministeriumssprecher. Der Strafvollzugsausschuss der Länder befasse sich daher mit dem Thema. Vertreter der Landesministerien, des Bundesjustizministeriums und der Generalbundesanwaltschaft kämen nach ersten Gesprächen Ende September zu einer Herbsttagung zusammen. Zumindest ein bisschen drängt die Zeit: Die Bundesländer müssen die Gesetze bis spätestens Ende Juni 2025 neu regeln. Sie sind aber nicht dazu verpflichtet, eine rückwirkende Vergütungsregelung zu schaffen. Um die Stundenlöhne für die baden-württembergischen Gefangenen zu berechnen, wird das durchschnittliche Bruttoeinkommen eines normalen Beschäftigten aus dem vorletzten Jahr herangezogen. Allerdings erhalten Strafgefangene nur neun Prozent dieses Entgelts. Es gibt dabei fünf Vergütungsstufen – von ganz einfachen bis zu hoch komplexen Tätigkeiten. Zum Grundlohn können noch Erschwernis-, Überstunden- und Leistungszulagen sowie solche für ungünstige Zeiten hinzukommen. Die tägliche Arbeitszeit liegt in den Vollzugsanstalten zwischen 5 und 7,5 Stunden. Einen unter anderem vom Deutschen Gewerkschaftsbund geforderten Mindestlohn wird es aber sicher nicht geben. Denn neben der Vergütung für Gefangene stehen auch die Ausgaben, die den Ländern durch die Inhaftierten entstehen. Nach Angaben des Justizministeriums liegen die gesamten Aufwendungen für die Gefangenenbeschäftigung – darunter die Personalkosten des sogenannten Werkdienstes, Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung der Gefangenen, Energiekosten und Ausgaben für Arbeitskleidung, Maschinen und Transport – bei rund 57 Millionen Euro. Die reinen Lohnkosten betrugen im Jahr 2022 hingegen lediglich 9,8 Millionen Euro. Nach dem Höhepunkt der Corona-Pandemie hat die Belegung in den baden-württembergischen Haftanstalten wieder zugenommen. Im vergangenen Mai 2023 saßen durchschnittlich 6259 Gefangene im geschlossenen Vollzug, die Gefängnisse haben Kapazität für 6352 Häftlinge. Rund 3891 Gefangene konnten im vergangenen Jahr im Durchschnitt in den JVA-Betrieben beschäftigt werden, die Umsätze lagen nach Angaben des Ministeriums bei rund 30 Millionen Euro. (lhe/mj)

Das könnte Dich auch interessieren

13.12.2025 Landau: Post gegen Landauer Bürgermeister - Verdächtiger ermittelt Landau (dpa/lrs) – Polizei und Staatsanwaltschaft haben einen 49-jährigen Mann ermittelt, der bei Facebook zu Gewalt gegen den Bürgermeister von Landau aufgerufen hat. Der Mann gestand, den Aufruf im November verfasst zu haben, betonte jedoch, keinen tatsächlichen Angriff geplant zu haben. Bei einer Durchsuchung beschlagnahmte die Polizei zwei Mobiltelefone und einen Laptop. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in sechs weiteren 20.10.2025 Mannheim: Mietpreisbremse bleibt – Einigung zwischen Grünen und CDU im Landtag Mannheim. Im Streit um die Verlängerung der Mietpreisbremse in Baden-Württemberg haben sich die Landtagsfraktionen von Grünen und CDU geeinigt. Nach Informationen des Mannheimer Morgen will nun auch die grüne Fraktion dem Entwurf von Bauministerin Nicole Razavi (CDU) zustimmen. Damit kann das Thema bei der Kabinettssitzung am Dienstag (21. Oktober) beschlossen werden. Die Grünen hatten ihre 25.09.2025 Walldorf/Brüssel:EU-Kommission ermittelt gegen deutschen Softwarekonzern SAP Brüssel/Walldorf (dpa) – Die EU-Kommission hat Ermittlungen gegen den deutschen Softwarekonzern SAP wegen möglicher wettbewerbswidriger Praktiken eingeleitet. Der Konzern steht im Verdacht, den Wettbewerb bei Wartungs- und Supportdienstleistungen verzerrt zu haben, wie die Brüsseler Behörde mitteilte. Konkret geht es demnach um die Frage, ob konkurrierende Unternehmen, die ebenfalls Wartungen für die Software des deutschen Konzerns anbieten, wettbewerbswidrig benachteiligt 18.09.2025 Heidelberg: Parksünder mit Scan-Auto gesucht Heidelberg/Stuttgart (dpa) – Heidelberg setzt ab sofort als eine der ersten Kommunen bundesweit auf ein Scan-Auto im Kampf gegen Parksünder. Das Scan-Auto soll laut Stadtverwaltung in zwei Bezirken der rund 155.000-Einwohner-Stadt in Baden-Württemberg eingesetzt werden. Dabei soll es mit Kameras abgestellte Autos ohne gültige Parkerlaubnis erfassen – etwa ohne gültigen digitalen Parkschein oder Anwohnerparkausweis. Zunächst geht es um