Fr., 03.11.2023 , 14:25 Uhr

Germersheim: Fahnder suchen europaweit nach dem geflüchtetem Mörder - Die wichtigsten Fragen und Antworten

Von Oliver Schmale und Martin Oversohl, dpa

Er könnte noch in Rheinland-Pfalz sein, vielleicht versteckt er sich auch in Baden-Württemberg oder er ist ins Ausland entkommen: Auch mehrere Tage nach seiner aufsehenerregenden Flucht während eines bewachten Ausflugs an einen rheinland-pfälzischen Baggersee fehlt von dem verurteilten Mörder Aleksandr Perepelenko aus der Justizvollzugsanstalt Bruchsal jede Spur. Der Fall hinterlässt viele Fragen:

– Wie konnte das passieren?

Das scheint tatsächlich noch nicht geklärt. „Unser Fokus liegt aktuell ganz klar darauf, den Flüchtigen zu ergreifen“, sagt der Pforzheimer Staatsanwalt Henrik Blaßies. Dazu bündele man auch die Kräfte. „Die genaueren Umstände der Flucht werden wir später untersuchen.“ Unklar ist bislang unter anderem auch noch, ob dem Mann geholfen wurde, zu entkommen. Fest steht lediglich: Am Montag hielt er sich im Bereich des Baggersees in Germersheim – rund 30 Kilometer von Bruchsal entfernt – auf, er sollte seine Frau und seine Kinder unter Aufsicht zweier JVA-Beamter treffen. Er konnte in ein Waldstück entkommen – trotz elektronischer Fußfessel. Diese wurde wenig später im Stadtgebiet von Germersheim gefunden. – Gibt es irgendwelche Hinweise zum Verbleib des Mannes? Zumindest nicht offiziell. Rund 50 Hinweise werden nach Angaben eines Sprechers des Landeskriminalamts verfolgt, darunter auch Aussagen von Zeugen, die den flüchtigen Mörder gesehen haben wollen. Es werde in alle Richtungen und teils auch verdeckt ermittelt, teilen zudem die Polizei und die Staatsanwaltschaft in Pforzheim mit. Die Ermittlungen beschränken sich laut LKA nicht nur auf das Bundesgebiet, auch europaweit sei der Mann zur Fahndung ausgeschrieben. Bislang aber ohne Erfolg. Der Deutsch-Kasache ist verschwunden.

– Warum saß der Mann in Haft?

Der 43-Jährige war 2012 wegen Mordes vom Landgericht Karlsruhe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Für das Gericht stand fest, dass der damals 32-Jährige sein Opfer aus Pforzheim am 7. Januar 2011 nach Gotha gelockt, gefesselt und geschlagen hat. Danach fuhren er und eine mitangeklagte, damals 30 Jahre alte Frau mit dem verletzten Mann in die Südpfalz. Dort erwürgte er das Opfer. Nicht seine erste Haftstrafe wegen eines Gewaltverbrechens, wie die „Bild“ zuerst berichtete: Der Mann hat bereits wegen Totschlags im Gefängnis gesessen. Das Landgericht Gera hatte ihn 2003 zu acht Jahren verurteilt, nach fünf Jahren wurde er auf Bewährung freigelassen.

– Wäre er demnächst eh freigekommen?

Nicht unbedingt. Eine lebenslange Haftstrafe kann frühestens nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Das heißt aber nicht, das der Mann tatsächlich in den kommenden Jahren freigekommen wäre. Eine sogenannte Mindestverbüßungsdauer für seine aktuelle Strafe ist bislang nicht vom zuständigen Gericht festgelegt worden.

– Was macht ein verurteilter Mörder aus Bruchsal an einem Baggersee in Rheinland-Pfalz?

Das ist keineswegs so ungewöhnlich, betont die Staatsanwaltschaft. Der Ausflug an den Baggersee sei eine „vollzugsöffnende Maßnahme im Sinne des Justizvollzugsgesetzbuchs Baden-Württemberg“, sagt JVA-Leiter Thomas Weber. Ein Gefangener darf in diesen Fällen für eine bestimmte Tageszeit die JVA unter Aufsicht von Vollzugsbeamten verlassen. Auch der nun flüchtige Mann habe „die Mauern verlassen zur Wahrung seiner eigenen Menschenrechte“, sagt zudem Blaßies. „Das war jetzt kein Sonderfall, das ist so vorgesehen und das gibt es auch häufiger.“ Seit Oktober 2019 durfte der Mann laut JVA in Begleitung von zwei bis drei JVA Mitarbeitern auf insgesamt acht sogenannte Ausführungen.

Wie konnte es dem Mann gelingen, seine Fußfessel zu lösen?

Auch das gilt es nach Angaben der Behörden noch zu klären. Die elektronische Fußfessel des Mannes war kurze Zeit nach seiner Flucht im pfälzischen Germersheim gefunden worden.

Wie funktioniert die elektronische Fußfessel?

Einmal angelegt, lässt sich die Fessel nicht mehr öffnen. Über Satellitensignal (GPS) kann der Träger jederzeit geortet werden. An Orten ohne GPS-Empfang läuft die Ortung über die Funkmasten der Mobiltelefone. Auf die Daten darf allerdings nur zugegriffen werden, wenn das System Alarm schlägt. Nach zwei Monaten müssen sie gelöscht werden. Die Fessel kann so programmiert werden, dass der Träger Zonen nicht verlassen oder nicht betreten darf, dafür lassen sich auch Zeiten festlegen. So kann zum Beispiel kontrolliert werden, dass sich jemand, der Kinder missbraucht hat, keinem Spielplatz mehr nähert.

Wer überwacht die Fußfessel-Träger?

Dafür gibt es eine zentrale Stelle in Hessen, die seit 2018 zum Schutz vor Anschlägen im Hochsicherheitsgefängnis in Weiterstadt untergebracht ist. In dieser „Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder“ (GÜL) gehen sämtliche Alarm-Meldungen ein. Die Bewegungen der Träger sind dann auch auf einer Karte sichtbar. Bei Alarm wird der Träger in den meisten Fällen erst einmal auf dem Handy angerufen, denn oft schwächelt nur der Akku. Wenn nötig, alarmieren sie die Polizei. (dpa/mj/ds)

Ein Foto von Aleksandr Perepelenko finden Sie hier.

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