Mo., 26.06.2023 , 13:06 Uhr

Karlsruhe: Aufwind für Dieselfahrer - BGH schwenkt um

Dieselfahrer, die Autobauern bei manipulierten Motoren keine Absicht nachweisen konnten, scheiterten bisher von dem Bundesgerichtshof. Nun vollzieht dieser eine Kehrtwende – nicht ganz freiwillig. Damit könnten neue Klagen gegen alle möglichen Autobauer folgen.

Tausende Dieselkläger dürften neue Hoffnung schöpfen – der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat am Montag den Weg zum Schadenersatz deutlich erleichtert. In einem mit Spannung erwarteten Urteil zog der Diesel-Senat am Montag anhand von drei exemplarisch abgehandelten Fällen neue Leitplanken für die künftige Rechtsprechung ein: Demnach sollen Verbraucher, in deren Wagen eine unzulässige Abschalteinrichtung wie etwa ein sogenanntes Thermofenster zur Abgasreinigung verbaut wurde, grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung haben.

Für ihr Auto bekommen sie einen pauschalen Ausgleich in Höhe des Wertverlustes gezahlt, der ihnen durch im Motor verbaute Abschalteinrichtungen – etwa das Thermofenster – entstanden ist. In welcher Höhe genau dies der Fall sein kann, müssen die Instanzgerichte jeweils entscheiden. Die Vorsitzende Richterin sprach von 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises. Ein Sachverständigen-Gutachten sei dafür nicht nötig. Der finanzielle Ausgleich werde dafür gezahlt, dass dem Auto eine Stilllegung drohen könnte. Kläger müssen im Verfahren dann zunächst eine Abschalteinrichtung nachweisen und Hersteller müssten im zweiten Schritt darlegen, dass sie kein Verschulden treffe.

Die unteren Instanzgerichte haben es künftig leichter, den Minderwert eines Wagens zu berechnen. Außerdem trugen die Richter der Tatsache Rechnung, dass arglosen Käufern ein Vertrauensschaden entstanden sei: In der Annahme, sie würden ein besonders umweltfreundliches Auto erwerben, hatten sie sich für das jeweilige Auto entschieden. Sie hatten zudem darauf vertraut, dass das Auto europäischen Umweltnormen entspreche. Dafür müssten sie entschädigt werden, hieß es weiter.

Exemplarisch wurden dabei am Montag drei Fälle von Dieselautos der Hersteller VW, Audi und Mercedes abgeurteilt. Alle Kläger hatten darauf geklagt, den Vertrag rückabwickeln, also das Auto gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben zu können. Dem gab der BGH zwar nun nicht statt. Der Diesel-Senat stellte aber klar, dass Fahrzeughaltern für ihr manipuliertes Auto eine finanzielle Entschädigung zusteht.

Der BGH hat wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) umdenken und es auf deutsches Recht umlegen müssen. Die Luxemburger Richter hatten im März entschieden, dass auch fahrlässiges Handeln der Autohersteller Grund für Schadenersatz sein kann – und nicht nur bewusste, sittenwidrige Täuschung. Letzteres war nach bisheriger BGH-Rechtsprechung bisher immer die Voraussetzung für Schadenersatz gewesen. Der EuGH hatte außerdem klargestellt, dass europäische Normen nicht nur dem Umweltschutz dienen, sondern auch den einzelnen Autokäufer schützen.

Wegen des EuGH-Urteils liegen derzeit etwa 2000 Fälle am BGH auf Eis. Zehntausende Fälle sind bei den unteren Instanzgerichten anhängig. Sie dürften die vom BGH angedachte pauschalierte Regelung zum Schadenersatz begrüßen. Experten rechnen damit, dass Dieselklagen auf dieser Basis künftig schneller und einfacher entschieden werden können. Der BGH hatte drei Musterfälle der Autobauer Mercedes, Audi und VW verhandelt.

Das sogenannte Thermofenster sorgt dafür, dass die Verbrennung von Abgasen je nach Außentemperatur zeitweise gedrosselt wird. Unabhängig vom Hersteller sind Thermofenster bei Diesel-Autos weit verbreitet – nun könnten Klagen gegen weitere Autobauer die Folge sein.

BGH diesel karlsruhe

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