Heidelberg – Forschende aus Heidelberg haben neue Details zur Ausbreitung des unheilbaren Knochenmarkkrebses „Multiples Myelom“ entdeckt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und weiterer renommierter Institute fanden heraus, dass sich die Krebszellen beim Verlassen des Knochenmarks stark verändern. Diese Entdeckung könnte langfristig die Diagnostik und Therapie des Myeloms verbessern.
Das Multiple Myelom entwickelt sich oft über Jahrzehnte im Knochenmark, bleibt lange unbemerkt und kann im fortgeschrittenen Stadium den Knochen zerstören. Nun konnten die Forschenden zeigen, dass die Tumorzellen beim Durchbruch aus dem Knochen eine enorme Vielfalt entwickeln. Das hat Auswirkungen auf die Immunabwehr und könnte erklären, warum sich der Krebs in späteren Stadien aggressiver verhält.
„Wenn die Tumorzellen das Knochenmark verlassen, finden sie sich in einer völlig neuen Umgebung wieder“, erklärt Dr. Niels Weinhold, Leiter der Translationalen Myelom-Forschung am UKHD. „Dies wirkt offenbar wie ein Evolutionsschub, der den Zellen hilft, sich anzupassen und im Körper weiter auszubreiten.“
Besonders spannend: Die Wissenschaftler untersuchten erstmals detailliert, wie das Immunsystem auf diesen Prozess reagiert. Dabei fanden sie heraus, dass bestimmte Immunzellen, sogenannte T-Zellen, in den Krebsherden außerhalb des Knochens stark veränderte Eigenschaften aufweisen. „Es scheint eine Art Co-Evolution zwischen Tumor- und Immunzellen stattzufinden, bei der beide Seiten aufeinander reagieren“, erläutert Professor Dr. Simon Haas vom Berlin Institute of Health in der Charité (BIH).
Diese neuen Erkenntnisse könnten helfen, Therapien gezielter auf den Krankheitsverlauf abzustimmen. Bislang wird die Erkrankung meist durch Gewebeproben aus dem Beckenkamm diagnostiziert. Die Studie zeigt jedoch, dass sich Krebszellen in Knochendurchbrüchen stark von denen im Beckenkamm unterscheiden. „Das könnte bedeuten, dass eine Probenentnahme aus anderen Bereichen der Tumorausbreitung eine genauere Diagnose ermöglicht“, so die Forschenden.
Für die Studie analysierte das interdisziplinäre Team Gewebeproben von Myelom-Patientinnen und -Patienten. Zum Einsatz kamen hochmoderne Einzelzellanalysen und sogenannte Multi-Omics-Techniken, mit denen sich Tausende Zellen gleichzeitig untersuchen lassen. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal Science Immunology veröffentlicht.
Das Universitätsklinikum Heidelberg gehört deutschlandweit zu den führenden Einrichtungen in der Krebsforschung und -behandlung. Auch das DKFZ mit Sitz in Heidelberg spielt eine zentrale Rolle in der Erforschung neuer Krebstherapien. Die aktuellen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, dass Patientinnen und Patienten künftig noch gezielter behandelt werden – ein großer Fortschritt für die Onkologie in der Region und darüber hinaus.
Foto: Ansammlung verschiedener Arten von Immunzellen in einem aus dem Knochen herausgebrochenen Myelomherd: T-Zellen und Natürliche Killerzellen sind pink, Makrophagen gelb dargestellt. Die umgebenden Myelomzellen erscheinen blau. Die weißen Strukturen sind Blutgefäße.
Bild: Dr. Johanna Wagner, DKFZ und NCT Heidelberg, mit Hilfe räumlicher Multi-Omics Methoden aufgenommen.