Mo., 23.12.2024 , 08:07 Uhr

Ludwigshafen: Lügen haben lange Beine - düsterer „Tatort“ zum Jahresstart

Ein Kind verschwindet. Schnell gerät die dienstälteste «Tatort»-Kommissarin in das perfide Spiel eines Psychopathen. Der TV-Dauerbrenner spielt diesmal mit allen Facetten der Angst.

Von Wolfgang Jung, dpa

Ludwigshafen. Wie lähmendes Gift breitet sich die kalte, nagende Angst im neuen Ludwigshafen-Krimi der dienstältesten «Tatort»-Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) aus. Ein Kind wird entführt, eine Zeugin stirbt. Eltern und Ermittler durchleben einen Alptraum. Und ein unheimliches Wesen lässt schaudern. «Der Stelzenmann» heißt der «Tatort», den das Erste am 1. Januar um 20.15 Uhr ausstrahlt. Darin lotet Deutschlands TV-Dauerbrenner traumatische Erlebnisse und Machtmissbrauch kompromisslos aus.

Der Neujahrskrimi beginnt mit einer Erinnerung. Panik steigt in dem jungen Swen auf, wie ein Schmerz, den er nie verstanden hat. Verdrängte Ängste erwachen zum Leben. Hals über Kopf flieht er aus einer Straßenbahn in die Nacht. Vor wem?

Monströser Verdacht

Später zerrt ein Mann am helllichten Tag den kleinen Paul in sein Auto. Verzweifelte Eltern wenden sich öffentlich an den Entführer, die Ermittlerinnen suchen fieberhaft nach Antworten. Stück für Stück rekonstruieren Odenthal und ihre Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) ähnliche Fälle in Deutschland und Spanien und stoßen auf erschreckende Parallelen. Der monströse Verdacht schnürt gleichsam die Kehle zu. Es geht nicht um Lösegeld, und es geht nicht um sexuellen Missbrauch.

Unter der beunruhigenden Musik von Dave Alex und Tom Bellis entwickelt sich dieser 81. Odenthal-«Tatort» nach einem Drehbuch von Harald Göckeritz zu einem spannungsgeladenen Thriller. Im Mittelpunkt steht der Stelzenmann – eine Horrorgestalt auf unnatürlich langen Beinen. So hoch, dass das Wesen in Kinderaugen fast die Baumwipfel berührt.

«Die Idee des Stelzenmanns geht zurück auf eine angsteinflößende Kindheitserinnerung von Regisseur Miguel Alexandre», sagt Göckeritz der Deutschen Presse-Agentur. «Mir hat diese Idee gefallen, weil es Momente im „Stelzenmann“ gibt, die an ein böses Märchen erinnern.» Eingefangen wird die stilsicher erzählte Folge von einer starken Kamera, gefilmt hat Eva Maschke.

Eine unheimliche Erkenntnis

Swen (Samuel Benito) ist der Schlüssel zu den Fällen, das ist den Kommissarinnen klar. Sie brauchen seine Erinnerung, um den Weg zum Entführer zu finden. Doch in Swen schlummert eine unheimliche Erkenntnis.

Etwas hat ihn nie losgelassen – vielleicht die unbewusste Angst vor einem Verlust oder die Erinnerung an den Schmerz des Verschwindens. Das verbindet ihn mit dem Entführer. Bald wird deutlich, dass Swens Dämonen keine Wahnvorstellungen sind – sondern sehr real. «Hier stimmt gar nichts», stöhnt Kommissarin Stern einmal.

Mit starken Dialogen entwickelt sich ein Katz-und-Maus-Spiel. Und welche Rolle spielt eigentlich der Zeuge Oliver Kelm (Ulrich Friedrich Brandhoff)?

Showdown im parkenden Auto

Schließlich kommt es zum Showdown zwischen Odenthal und dem Täter – in einem parkenden Auto. «Denken Sie, dass Sie mutig sind, wenn Sie kleine Kinder entführen und Ihren Dreck an ihnen auslassen?», fragt die Ermittlerin scharf. «Was können die Kinder für Ihr ganzes verpfuschtes Leben?»

Der glänzend besetzte Krimi zeigt eine spielfreudige Ulrike Folkerts – und das nach bereits 35 Dienstjahren. Ihr allererster «Tatort» lief am 29. Oktober 1989.

«Man könnte sagen, die Schlüsselfigur leidet unter einer Angstkrankheit – was ja eine der häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland ist», sagt Göckeritz. Die Aufklärung des Falls führe letztlich dazu, dass sich die Figur aus dem Trauma lösen könne. «So gesehen», meint der Autor, «ist „Der Stelzenmann“ auch die Geschichte einer Befreiung.» (dpa)

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