Do., 27.06.2024 , 17:38 Uhr

Mannheim: Bei Polizei herrscht nach Messerangriff "Fassungslosigkeit"

Mannheim. Rund einen Monat nach dem tödlichen Messerangriff auf dem Mannheimer Marktplatz ist die Stimmung im Mannheimer Polizeipräsidium weiter gedrückt. „Es ist viel Fassungslosigkeit nach wie vor, und vier Wochen sind ja keine Zeit, was ordentlich verarbeiten zu können. Ich glaube, es versuchen mittlerweile alle wieder, ein Stück weit in den Alltag reinzukommen“, sagte Anna Koch, psychosoziale Beraterin beim Polizeipräsidium Mannheim. Die permanente Auseinandersetzung mit Krisen sei emotional anstrengend – und gleichzeitig gehe es auch darum, die Funktionstüchtigkeit der Polizei weiter zu gewährleisten.

Am 31. Mai hatte ein 25-jähriger Afghane auf dem Mannheimer Marktplatz fünf Männer mit einem Messer verletzt – der 29-jährige Polizist Rouven Laur starb zwei Tage später an seinen Verletzungen. Ein Teil der Beamten, die bei dem Einsatz am Mannheimer Marktplatz mit dabei waren, ist bis heute nicht in den Dienst zurückgekehrt. Weitere Angaben zum Zustand der betroffenen Polizisten macht das Präsidium nicht. Martin Jost, Polizeihauptkommissar im Ermittlungsdienst, war direkt nach dem Angriff auf dem Mannheimer Marktplatz im Einsatz. Der 54-Jährige erlebte die Situation als unübersichtlich, wie er erzählt. Er sei selbst beim verletzten Kollegen Rouven Laur geblieben, bis Ärzte sich um den 29-Jährigen kümmerten.

Den Kollegen kannte Jost nicht persönlich. Doch die Geschehnisse belasten ihn sehr, wie er selbst sagt. „Mir geht es heute immer noch nicht so gut. Für mich ist nach 33 Jahren das auch nicht das erste Geschehen, wo ein Kollege tödlich verletzt wird.“ Da kämen auch wieder andere Situationen hoch und würden ihn belasten. Er nimmt psychologische Unterstützung in Anspruch. „Darüber zu sprechen und das zu verarbeiten, hilft schon.“ Jost erzählte, die Kolleginnen und Kollegen reagierten unterschiedlich auf die Erlebnisse auf dem Marktplatz. „Es gibt Kollegen, die mit Sicherheit den Marktplatz noch eine ganze Zeit lang meiden werden.“ Er selbst habe viel Sport gemacht – Fahrradfahren, Laufen, Schwimmen. „Quasi weg von der Arbeit, raus in die Natur und abschalten.“ Er habe versucht, nicht immer daran zu denken. „Also es waren etliche Fahrradkilometer, die da zusammengekommen sind.“ Auch Psychologin Anna Koch sagte, dass jedem Einzelnen etwas Anderes bei der Verarbeitung von belastenden Ereignissen wie dem Messerangriff helfe.

„Ich würde nicht grundsätzlich sagen, dass es für jeden und jede gut ist, zu Hause sich Ruhe zu gönnen, wenn man vielleicht zu Hause ganz alleine ist und keine Möglichkeit hat, das Verarbeitete mal auszusprechen.“ Das könnte auch dazu führen, dass Betroffene anfingen, viel zu grübeln. „Den Menschen würde ich eher raten, dass sie versuchen, in den Dienst zurückzukommen, weil sie dort ihr gewohntes Umfeld haben, weil sie dort einen gewohnten Tagesablauf haben.“ Dabei könne man dann auch schauen, ob die aktuelle Tätigkeit im Moment noch das Richtige sei, sagte Koch. Man könne ja auch zurück in den Innendienst kommen. Jost beschrieb die Zeit nach der Tat als schwierig und emotional. „Die Wochen danach waren auch so eine Achterbahnfahrt im Prinzip.“

Auf der einen Seite habe es großen Zuspruch aus der Bevölkerung gegeben, etwa als Menschen auf dem Marktplatz nach der Gedenkminute für Rouven Laur spontan anfingen zu klatschen. Auf der anderen Seite würden Menschen weiterhin Straftaten begehen und so weitermachen wie vor der Tat. „Das ist natürlich dann immer sehr schwierig.“ (dpa/mj)

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