Mo., 19.06.2023 , 08:58 Uhr

Mannheim: Bundeweites Modellprojekt smarte Videoüberwachung braucht mehr Zeit

Eigentlich sollte die intelligente Videoüberwachung in Mannheim bald in den ordentlichen Betrieb gehen. Doch das System steckt noch in der Lernphase. Bekommt es jetzt mehr Zeit?

Der Zeitplan für das bundesweit einzigartige Pilotprojekt smarte Videoüberwachung in Mannheim ist nicht mehr zu halten. Das Polizeipräsidium Mannheim hat beim Innenministerium eine Verlängerung des Modellvorhabens beantragt. «Das Pilotprojekt läuft noch bis Ende November», sagte ein Sprecher des Ressorts von Innenminister Thomas Strobl (CDU). Eine Entscheidung über die Verlängerung stehe deshalb aktuell noch nicht an.

Für den Zeitverzug sei unter anderem die Corona-Pandemie mit einer rückläufigen Zahl an Bewegungen im öffentlichen Raum verantwortlich, durch die das lernende System mit weniger Daten als vorgesehen habe gespeist werden können, sagte Markus Müller. Der Abteilungsleiter vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung in Karlsruhe, das die Software entwickelt, unterstützt den Antrag auf Verlängerung. «Wir haben die Grundschule absolviert und steuern jetzt die Mittlere Reife an», sagte Müller.

Seit 2018 wurden in Mannheim an Orten mit deutlich erhöhter Straßenkriminalität Videokameras installiert. Der Videoschutz soll einerseits abschreckend wirken, aber vor allem in Gefahrensituationen schnellere Intervention ermöglichen.

Der Versuch mit der algorithmenbasierten Bildauswertung sollte nach fünf Jahren ursprünglich bis Ende 2023 abgeschlossen sein. Dabei sollten Muster von strafrechtlich relevanten Bewegungen gefunden und gespeichert werden.

Die Aufnahmen werden mit real erfassten Daten abgeglichen. So soll das System lernen, wann wirklich eine Straftat geschehen ist – und künftig in so einem Fall Alarm schlagen. Doch die schon bekannten Probleme der Unterscheidung von alltäglichen Bewegungen wie Umarmungen und kriminalistisch bedeutsamen Handlungsabläufen bestehen immer noch.

Der Informatiker Müller weiß um die Schwierigkeiten, die Künstliche Intelligenz (KI) mit genug Videosequenzen zu füttern. «Zuerst dachten wir an Actionfilme, doch gestellte Bewegungen haben nichts mit der Realität zu tun.» Deshalb behelfe man sich mit Mitarbeitern, Studenten oder öffentlich zugänglichem Bildmaterial, um die KI mit den nötigen Bildern trainieren zu können. Im Endausbau sollen 63 Kameras an Kriminalitätsschwerpunkten relevante Daten über Glasfaserkabel direkt an das Polizeipräsidium schicken.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft setzt sich trotz der Schwierigkeiten für die Verlängerung dieses «Erfolgskonzeptes» ein. «Das bedeutet mehr an Sicherheit für die Mannheimer Bürger», sagte Landeschef Ralf Kusterer. Das müsse auch bundesweit Schule machen. Die Besonderheit sei der optimale Datenschutz.

Kusterer plädierte für einen schnellen Ausbau, um zu verhindern, dass sich die Kriminellen neue Orte suchen, die nicht videoüberwacht sind. Ein großer Vorteil sei, dass dank der neuen Technik die Monitore anders als bislang nicht durchgehend beobachtet werden müssen. Dadurch könne viel Personal eingespart werden.

Die Szenen werden aus Datenschutzgründen nicht mit einem echten Bild gezeigt, sondern mit einer Art Strichfigur. Bei konventioneller Überwachungstechnik wird nach früheren Angaben Müllers jede Person in höchster Auflösung erfasst und gespeichert. Intelligente Videoüberwachung biete die Möglichkeit, irrelevante Bereiche, Szenen und Personen beispielsweise auszublenden oder zu verpixeln.

Mittlerweile zeigen Kommunen Interesse an dem Instrument, darunter die Stadt Heidelberg. Dort werden die Aufnahmen aus der Videoüberwachung an Bahnhof und Bismarckplatz konventionell ausgewertet. Heidelberg stehe einer intelligenten Auswertung weiterhin aufgeschlossen gegenüber und sei dazu auch in Kontakt mit dem Polizeipräsidium Mannheim, hieß es aus dem Rathaus. (dpa)

 

Mannheim smarte Videoüberwachung Überwachung

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