Mi., 19.07.2023 , 13:01 Uhr

Mannheim: Weltklasse im Schatten - Heim-WM soll Faustball Aufmerksamkeit bringen (mit Video)

Deutschland ist der Favorit für die Faustball-Weltmeisterschaft in Mannheim. Der Titelverteidiger will das achttägige Turnier nutzen, um in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen zu werden.

Von Matthias Jung, dpa

Olaf Neuenfeld scheint einen verständnisvollen Arbeitgeber zu haben. Denn neben seinem Vollzeitjob im Außendienst eines Großhandelsunternehmens im Sanitätsbereich arbeitet der Niedersachse als Faustball-Bundestrainer. Für die am Samstag beginnende und bis zum 29. Juli dauernde Weltmeisterschaft in Mannheim nahm sich der 53-Jährige acht Tage Urlaub. Für ihn als Amateursportler ist das normal. «Die Hälfte meines Jahresurlaubs ist für Faustball», sagt Neuenfeld der Deutschen Presse-Agentur.

Mit zuletzt drei WM-Titeln in Serie und diversen anderen Titeln ist Neuenfeld ein sehr erfolgreicher Nationaltrainer – nur wissen das viele nicht. Denn Faustball erhält kaum öffentliches Interesse und der Niedersachse entsprechend sehr wenig Geld. «Dafür würde Hansi Flick nicht mal den Telefonhörer abheben», sagt er. Fußball-Bundestrainer Flick soll ein Jahresgehalt von 6,5 Millionen Euro beziehen. Die zuletzt glücklosen Kicker müssen befürchten, bei der Europameisterschaft 2024 im eigenen Land zu enttäuschen, die Faustballer hoffen bei der Heim-WM auf einen Schub für ihre Sportart.

Deutschland ist gegenwärtig die Faustballnation schlechthin und stellt mit dem 1,95 Meter großen Angreifer Patrick Thomas vom Serienmeister TSV Pfungstadt in der nicht-olympischen Sportart den wohl besten Spieler der Welt. «Wir sind bei der WM schon der Favorit», sagt der 31-Jährige. Das hat neben den vielen Titeln auch mit Neuenfelds Kader zu tun. Für jede der fünf Positionen auf dem Rasen habe man «zwei Spieler, die Weltklasse spielen können», sagt Angreifer Nick Trinemeier vom TV Käfertal aus Mannheim.

Nur findet das meistens im Schatten der großen Ballsportarten wie Fußball, Basketball oder Handball statt, in denen die Stars viel Geld verdienen. «Wenn man alles zusammennimmt, zahlt man im Faustball drauf», erklärt dagegen Trinemeier. Kosten für Reisen und Lehrgänge übernehme zwar der Verband. Kaufe Vizemeister Käfertal aber neue Trikots, würden sich die Spieler auch mal finanziell beteiligen.

Patrick Thomas verdient seinen Lebensunterhalt daher als selbstständiger Energie-Berater. Er arbeitet samstags vor oder nach Spielen manchmal noch zwei Stunden. Gymnasiallehrer Trinemeier korrigiert auf Lehrgängen auch mal Klausuren. Ihr Trainingsumfang liegt bei ungefähr zwölf Stunden pro Woche. Bei anderen Spielern geht auch mal der gesamte Jahresurlaub für ihren Sport drauf.

In der Bundesliga spiele er vor höchsten 100 bis 150 Zuschauern, sagt Patrick Thomas. Beim Finalturnier der Liga im Schwarzwald-Ort Unterhaugstett waren es an zwei Tagen 2200. Nur bei WM-Spielen können es auch mal mehrere tausend Fans sein. Deshalb hofft der Verband Faustball Deutschland darauf, dass die WM in Mannheim, in die Deutschland am Samstag (14.00 Uhr) gegen Namibia startet, der Sportart mehr öffentliches Interesse beschert. «Wenn nicht jetzt, wann dann», sagt der Verbandschef Jörn Verleger.

Nach der Vorrunde und weiteren Partien im 7000 Plätze großen Rhein-Neckar-Stadion finden die Finalspiele in der 12 500 Zuschauer fassenden SAP-Arena statt, wo eigens ein Rollrasen verlegt wird. «Das gab es noch nie», meint Verleger. Zudem überträgt der SWR die deutschen Spiele live im Internet und das Finale bei einer Beteiligung Deutschlands, als dessen Hauptrivalen Österreich und Brasilien erwartet werden, im regulären Programm. Auch im Morgen- und Mittagsmagazin von ARD und ZDF wird berichtet.  Der Verband selbst will mithilfe eines Reformpakets vorwärtskommen, zu dem die Einführung von Playoffs in der Liga gehört und der Versuch, öfter in die Schulen zu gehen und dort mehr Nachwuchs zu gewinnen.

Patrick Thomas mag nicht hadern, dass er in einem anderen Sport nach der Karriere vielleicht finanziell ausgesorgt hätte. Er habe immerhin das Glück, als einziger Faustballer von der Deutschen Sporthilfe unterstützt zu werden, sagt er. Mit 300 Euro im Monat. Und er sehe im Faustball viel von der Welt.

Bundestrainer Neuenfeld ist als Fußballfan von Borussia Dortmund früher oft auch bei Auswärtsspielen des BVB dabei gewesen. Das mache er kaum noch, sagt er. «Im Fußball geht es nur noch um Geld, das ist Irrsinn». Dieses Problem hat er im Faustball nicht. (dpa)

Faustball Mannheim wm

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