Social Media ohne Faktenprüfung, wachsende Polarisierung und der Rückzug von Anstand und Rücksichtnahme: Die gesellschaftliche Kommunikation befindet sich in einem dramatischen Wandel, der Auswirkungen bis in die Familien hinein hat. In einem intensiven Gespräch mit RNF-Moderator Ralph Kühnl analysiert der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Harald Rau die tiefgreifenden Veränderungen unserer Medienwelt und warnt vor den Konsequenzen dieser Entwicklungen – sowohl global als auch hier in der Region.
Was bedeuten die jüngsten Entscheidungen großer Social-Media-Konzerne wie Meta für den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Wie können Medien ihrer Verantwortung in dieser turbulenten Zeit gerecht werden? Und warum müssen die „Aufrechten“ in der Gesellschaft jetzt besonders stark sein? Antworten gibt es im Video.
Die gesellschaftliche Kommunikation steht vor enormen Herausforderungen: Polarisierung, Grenzüberschreitungen und die gezielte Verbreitung von Falschnachrichten erschweren den sozialen Dialog. Prof. Dr. Harald Rau, Kommunikationswissenschaftler, spricht im Interview über die Dynamiken hinter diesen Entwicklungen, die Verantwortung von Medien und die Frage, wie gesellschaftlicher Anstand wieder gestärkt werden kann. Hier die wichtigsten Thesen aus dem Gespräch.
„Man stellt sich ja in diesen Tagen jeden Tag die Frage erneut: Was passiert da eigentlich? Was passiert mit uns? Was passiert mit der gesellschaftlichen Kommunikation?“ Mit dieser Frage bringt Harald Rau eine der zentralen Herausforderungen auf den Punkt. Die gezielten Grenzverletzungen in der öffentlichen Kommunikation, ob von Einzelpersonen oder politischen Akteuren, seien strategisch motiviert, so Rau. Ziel sei es, durch kalkulierte Provokationen Aufmerksamkeit zu generieren.
„Ich verletze die Grenze, damit ich in die Öffentlichkeit komme“, erklärt er. Das Problem dabei: „Die Öffentlichkeit reagiert ja fast stereotyp darauf.“ Solche Reaktionen seien zwar verständlich, verstärkten aber oft die gesellschaftliche Polarisierung.
Ein weiterer Aspekt, den Rau beleuchtet, ist die Entscheidung des Meta-Konzerns, das Fact-Checking auf Plattformen wie Facebook und Instagram in den USA einzustellen. Offiziell begründet Mark Zuckerberg dies mit dem Schutz der freien Rede. Doch für Rau steckt mehr dahinter: „Natürlich stehen da auch wirtschaftliche Interessen dahinter.“
Er interpretiert diesen Schritt als „einen vorauseilenden Gehorsam“ gegenüber der politischen Macht der neuen US-Regierung. Die Auswirkungen solcher Entscheidungen seien jedoch gravierend. „Wir kennen Beispiele, wo Facebook-Wellen dafür gesorgt haben, dass tatsächlich Menschen gestorben sind,“ erinnert Rau und verweist auf dokumentierte Fälle wie in Myanmar, wo Hasskampagnen auf der Plattform zu Gewalt und Tod führten.
Eine zentrale Frage, die Ralph Kühnl im Interview aufwirft, lautet: „Was macht dieses veränderte Kommunikationsklima mit dem, was wir als Anstand, Rücksichtnahme, gute Erziehung kennengelernt haben?“ Rau bezeichnet diese Frage als „das drängendste Thema“.
Anstand und Rücksichtnahme seien zunehmend in Gefahr, durch eine immer rauere Kommunikationskultur verdrängt zu werden. Rau berichtet von einem Vorfall in Salzgitter, wo eine Mitarbeiterin seiner Hochschule verbal angegriffen wurde: „Und das führte dann […] dazu, dass es mir fast die Füße weggezogen hat.“ Solche Erlebnisse seien keine Einzelfälle und zeigten, wie sehr die Grenzen des Sagbaren verschoben würden.
„Man geht über die Grenzen hinaus, man sagt bewusst mehr, als eigentlich in der Nomenklatura sagbar wäre,“ so Rau. Die Verantwortung, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, liege bei der gesamten Gesellschaft: „Die Aufrechten in der Gesellschaft müssen jetzt Verantwortung übernehmen.“
Besonders die Medien stehen nach Raus Ansicht in der Pflicht, gesellschaftliche Kommunikation zu ermöglichen und den Dialog zu fördern. „Medien klassischer Natur, wie auch RNF ein Medium klassischer Natur ist, sind dazu da, für einen gelingenden gesellschaftlichen Kommunikationsprozess zu sorgen.“
Rau plädiert dafür, die eigene Rolle immer wieder zu reflektieren und klarzumachen: „Was erwartet die Gesellschaft von uns?“ Gleichzeitig betont er, wie wichtig es sei, Medienkompetenz zu fördern, insbesondere bei der jüngeren Generation: „Das Wissen darüber, was gute gesellschaftliche Kommunikation ist, nimmt ab.“
Sein Rat an die Medien lautet klar: „Haltet durch.“ Trotz wirtschaftlichem Druck und schwieriger Rahmenbedingungen sei es notwendig, den gesellschaftlichen Auftrag nicht aus den Augen zu verlieren.
Rau betont, dass die Polarisierung nicht nur ein internationales Phänomen sei, sondern bis in die Familien hineinreiche. „Stärkere Polarisierung führt dazu, dass Familien sich kürzere Zeit treffen. Das heißt, man redet weniger miteinander, die Polarisierung wird immer noch stärker.“
Auch auf lokaler und regionaler Ebene sei diese Entwicklung spürbar. Gesellschaftliche Probleme würden populistisch vereinfacht, anstatt ihre Komplexität zu akzeptieren und Lösungen zu suchen. „Das ähnelt natürlich dem, was gerade in Amerika passiert,“ warnt Rau.
Abschließend kritisiert Rau, dass die Regulierung von Plattformen in Europa und Deutschland zu langsam und wenig zielgerichtet sei. „Unsere Regulierung ist sehr rückwärtsgewandt und wir müssten wirklich mal gucken, was wären denn die Pflöcke, die man einschlagen muss.“
Er fordert eine stärkere medienpolitische Kompetenz und mehr Gestaltungswillen, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Zugleich mahnt er, dass diese Prozesse mit der Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklungen kaum mithalten könnten.
Das Interview mit Prof. Dr. Harald Rau zeigt deutlich, wie herausfordernd die aktuellen Entwicklungen für die gesellschaftliche Kommunikation sind. Ob Grenzverletzungen, Polarisierung oder wirtschaftlicher Druck auf die Medien – die Herausforderungen sind groß.
Sein Appell an Medien, Gesellschaft und Politik: die Verantwortung übernehmen, den Dialog fördern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Denn nur so könne eine funktionierende Kommunikation in polarisierten Zeiten gelingen.
(Diese Zusammenfassung aus dem Transkript des Interviews wurde mit Hilfe von KI erstellt.)