Do., 23.10.2025 , 14:47 Uhr

Das Kanzlerwort vom "Stadtbild" - Kommentar von Ralph Kühnl

In mehreren Städten Deutschlands, auch in Heidelberg, gab es nach der Äußerung vom „Stadtbild“ von Bundeskanzler Friedrich Merz Demonstrationen und Kundgebungen. Dazu ein Kommentar von Ralph Kühnl.

„In dieser Woche hätten Sie mal Gast am Konferenztisch in unserem Redaktionsgroßraum sein sollen: Über das Wort vom „Stadtbild“ haben wir uns die Köpfe heißgeredet! Wir sind vom Hölzchen aufs Stöckchen gekommen, im Lauf der Woche natürlich auf den Aspekt „mal die Töchter zu fragen“, und nach gestern Abend auch darauf, dass „viele Menschen in Deutschland Angst hätten“.

Man darf und muss unterstellen, dass die Person, die das Amt des Bundeskanzlers inne hat, weiß, was sie mit Worten auslöst. Deshalb muss man davon ausgehen, dass Friedrich Merz die Lawine bewusst ausgelöst hat. Das Wort vom „Stadtbild“ ist so weit gefasst, dass sich so viel mehr Menschen davon getroffen fühlen mussten, als Merz nun meinte gemeint zu haben. Nämlich – Zitat – „diejenigen, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, nicht arbeiten und sich auch nicht an unsere Regeln halten“.

Damit hat er Recht – in engen Grenzen aber nur. Die Gruppe, die er meint, ist vergleichsweise sehr klein. Und das Phänomen muss differenziert betrachtet werden: Es gibt ohne Frage massiv problematische Hotspots auch in unseren Städten, in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen also, wo uns Menschen – besonders Frauen und Töchter, in die Kamera gesagt haben, dass sie an manchen Stellen Angst haben.

Doch sind diejenigen, die diese Ängste auslösen, auch jene, die der Kanzler meint? Und wenn welche darunter sind: Sind da nicht auch noch andere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die mit den Mitteln des Rechtsstaates in die Schranken gewiesen gehören? Dazu braucht es Personal, Ausrüstung und Geld. Und: Man muss an die Ursachen ran. Warum veröden unsere Innenstädte? Warum ist die Gewaltbereitschaft so hoch? Warum fühlen sich immer mehr Menschen überfordert und fallen den schlicht gestrickten, aber eben nur vermeintlichen Lösungen anheim? Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit die Bevölkerung aus ihrer Frustspirale herauskommt?

Eins bedingt das andere – Hölzchen auf Stöckchen. Und ein Bundeskanzler MUSS in der Lage sein, das differenziert darzustellen. Pauschalisierungen provozieren nur Shitstorms und Debatten, die von all den anderen Hausaufgaben, die nicht erledigt wurden, ablenken. Aber vielleicht hat es Friedrich Merz ja genau darauf angelegt.“

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