Mo., 10.02.2025 , 16:05 Uhr

Interview zum neuen Schulgesetz in Baden-Württemberg

G9, neue Grundschulempfehlung und Medienkompetenz: Was sich an Baden-Württembergs Schulen ändert

Die größte Änderung in Baden-Württembergs Schulsystem ist beschlossene Sache: Das Gymnasium wird flächendeckend wieder neunjährig. Doch mit der Reform kommen auch weitere Neuerungen, die für Diskussionen sorgen.

Im RNF-Interview sprach Ralph Kühnl mit Stefan Fulst-Blei, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, über die Reformen, ihre Auswirkungen und die Kritikpunkte.

G9 ist zurück – aber nicht für alle

Ab dem kommenden Schuljahr starten die fünften und sechsten Klassen im neuen G9-Modell. Theoretisch könnte es auch noch G8-Züge geben, aber: „Praktisch wird es wahrscheinlich nur auf G9 hinauslaufen, weil für G8 die Hürden viel zu hoch sind“, sagt Fulst-Blei. Doch nicht alle Schüler profitieren davon: „Die Siebt-, Acht- und Neuntklässler haben leider keine Chance mehr, zurück auf G9 zu wechseln.“

Die SPD hätte sich eine andere Lösung gewünscht. „Lasst es uns doch wie Niedersachsen machen“, fordert Fulst-Blei. „Dort hat man den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben, bis zur achten Klasse umzusteigen.“ Diese Forderung blieb jedoch erfolglos, hauptsächlich aus Kostengründen.

Streitpunkt Grundschulempfehlung

Ein weiterer umstrittener Punkt der Reform ist die neue Grundschulempfehlung, die aus drei Bestandteilen besteht: der Lehrerempfehlung, dem neuen Kompetenztest „Kompass 4“ und dem Elternwunsch. Zwei der drei Kriterien müssen erfüllt sein, damit ein Kind ohne weitere Prüfung aufs Gymnasium darf.

Fulst-Blei kritisiert insbesondere den Test: „Man hat eine komplette Grundschulstufe zu Versuchskaninchen gemacht. Am Ende sind gerade mal sechs Prozent in Mathematik auf gymnasiale Empfehlung rausgekommen, während wir in Heidelberg beispielsweise eine Übergangsquote von 70 Prozent haben.“

Er warnt vor einer Klagewelle und fordert: „Das Gesetz muss mindestens ein Jahr nach hinten verschoben werden, damit es vernünftig aufgesetzt werden kann.“

Mehr Medienkompetenz, KI und Demokratiebildung

Eine positive Neuerung sieht Fulst-Blei in den neuen Unterrichtsinhalten: Medienkompetenz, künstliche Intelligenz und Demokratiebildung erhalten mehr Gewicht. „Das haben wir lange gefordert, weil gerade Fake News und digitale Manipulationen eine zunehmende Bedrohung darstellen.“

Er verweist auf aktuelle Entwicklungen, wie den Einsatz von KI-gestützten Fake-Influencern im Wahlkampf: „Das ist leider keine Fake News, sondern Realität. Russland mischt da kräftig mit.“ Daher sei es essenziell, Schüler frühzeitig aufzuklären und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, um Desinformation zu erkennen.

Lehrermangel als langfristiges Problem

Ein weiteres Problem sieht Fulst-Blei in der Personalpolitik. Durch die Reform werden kurzfristig weniger Lehrkräfte benötigt, was dazu führt, dass viele Referendare nicht übernommen werden. „Die sitzen dann auf der Straße“, warnt er. Doch in einigen Jahren, wenn G9 komplett umgesetzt ist, werden wieder viele Lehrkräfte gebraucht: „Die kann man dann nicht einfach herbeizaubern.“

Die SPD hatte vorgeschlagen, Vertiefungsstunden auszuweiten, um den Druck auf die Schüler zu reduzieren und gleichzeitig Lehrkräfte zu binden. „Auch das wurde aus Kostengründen abgelehnt“, so Fulst-Blei. „Wir halten das für einen großen Fehler.“

Fazit: Gute Ideen, aber handwerkliche Fehler

Die Schulreform bringt einige positive Entwicklungen mit sich, insbesondere die Rückkehr zu G9 und die Stärkung von Medienkompetenz und Demokratiebildung. Doch Fulst-Blei sieht viele Unstimmigkeiten in der Umsetzung.

„Es gab letzten Endes viele Gründe, wo wir gesagt haben: Entschuldigung, da ist so viel Murks drin, dem können wir nicht zustimmen.“ Seine Fraktion wird weiter politischen Druck machen, um Nachbesserungen zu erreichen.

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