Ein neuer Kraftstoff für bestehende Motoren – klimafreundlich, praxistauglich, sofort einsetzbar. Die Tour d’Europe hat am 27. Mai in Mannheim Station gemacht, und der Gastgeber CropEnergies nutzte die Gelegenheit, um mit Industrie, Wissenschaft und Politik über die Zukunft nachhaltiger Mobilität zu sprechen. Im Zentrum: E20, ein Benzin mit 20 Prozent Bioethanol-Anteil – produziert aus pflanzlichen Rohstoffen, mit bis zu 80 Prozent CO₂-Einsparung gegenüber fossilem Kraftstoff.
Und das Besondere: E20 ist keine Vision – es wird bereits getankt. In Mannheim betreibt CropEnergies testweise Deutschlands erste E20-Zapfsäule. Was hier aus der Zapfpistole kommt, könnte den Verkehrssektor spürbar entlasten – ohne neue Autos, ohne aufwendige Infrastruktur, sondern mit dem, was längst da ist: Millionen Fahrzeuge im Bestand, die E20 zum Teil bereits heute vertragen.
Im Unterschied zu fossilem Benzin entsteht beim Verbrennen von Bioethanol kein zusätzliches CO₂. Das CO₂, das beim Fahren freigesetzt wird, stammt ursprünglich aus der Atmosphäre – gebunden durch Pflanzen, die als Rohstoff dienen. Es handelt sich also um ein nahezu geschlossenes System: Bindung, Nutzung, Bindung.
„Wir produzieren Ethanol und verkaufen Treibhausgas-Einsparung“, sagt Dr. Fritz Georg von Graevenitz, CEO von CropEnergies. „Gerade in den Bestandsflotten können Verbrenner klimaschonend und perspektivisch sogar klimaneutral betrieben werden.“
CropEnergies ist einer der führenden europäischen Bioethanol-Produzenten – das Unternehmen gehört zur Südzucker-Gruppe und produziert in Deutschland, Belgien, Frankreich und Großbritannien. Die Strategie: Klimaschutz nicht nur im Labor, sondern im Alltag.
Ein Schlüssel für die Akzeptanz nachhaltiger Kraftstoffe liegt in der Dokumentation ihrer Wirksamkeit. Genau das leistet der „Digital Fuel Twin“, ein Nachweissystem, das von Bosch gemeinsam mit Partnern aus der Industrie entwickelt wurde. Es erfasst, was getankt wurde, wann, wo – und mit welchem CO₂-Einspareffekt.
„Wir schaffen Transparenz bis zur letzten Tankfüllung“, sagt John Gassenmeier von der Robert Bosch GmbH. „Flottenbetreiber, Speditionen oder Hersteller können so nachweisen, wie viel CO₂ sie tatsächlich einsparen. Das ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch interessant – etwa bei Ausschreibungen oder Flottenbilanzen.“
Doch es bleibt nicht bei der Technik. Damit der CO₂-Vorteil auch politisch zählt, braucht es die entsprechende Anerkennung in Gesetz und Verordnung. Gassenmeier spricht offen von nötigen Gesetzesänderungen: „Die Realität ist, dass Lkw-Hersteller heute nach einem theoretischen CO₂-Wert bestraft werden – unabhängig davon, ob ihr Fahrzeug mit fossilem Diesel oder mit nachhaltigem Kraftstoff fährt. Das muss sich ändern.“
Begleitet wird das Projekt von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Olaf Toedter von der KIT Campus Transfer GmbH, der die technischen Zusammenhänge auf der Veranstaltung erläuterte, betont die Relevanz: „E20 ist sofort einsetzbar. Viele Fahrzeuge ab einem bestimmten Baujahr sind darauf vorbereitet. Und dank digitaler Systeme lässt sich der Klimanutzen exakt beziffern – von der Herkunft der Rohstoffe bis zur Zapfsäule.“
Toedter sieht darin nicht nur eine technische, sondern auch eine strukturelle Chance: „Die nachhaltigen Kraftstoffe sind da. Die Infrastruktur steht. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass der Einsatz honoriert wird – in der Bilanz, im Markt, im Gesetz.“
Auch politische Vertreter zeigten in Mannheim Interesse. Der Bundestagsabgeordnete Olav Gutting (CDU) war ebenso vor Ort wie der Landtagsabgeordnete Jan-Peter Roederer (SPD). Sie informierten sich über die Potenziale des neuen Kraftstoffs. Das Land Baden-Württemberg kündigte an, die Transformation mit einer Roadmap und einem Aktionsplan für erneuerbare Kraftstoffe zu flankieren – inklusive gezielter Projektförderung, etwa am Standort Mannheim.
E20 steht symbolisch für einen Ansatz, der keinen Umbruch, sondern eine Weiterentwicklung bedeutet: Bestehende Fahrzeuge, bestehende Infrastruktur, bewährte Motorentechnik – kombiniert mit erneuerbarem Kraftstoff, kluger Logistik und digitalem Nachweis. Die zentrale Frage lautet nicht mehr: Geht das? Sondern: Warum tun wir es nicht längst?
Der Beitrag zur Klimaneutralität könnte genau dort beginnen, wo Millionen Menschen täglich unterwegs sind: an der Zapfsäule.