Mannheim-Rheinau. Die Energiewende verlangt nicht nur neue Erzeugungskapazitäten, sondern auch tiefgreifende Eingriffe in das Übertragungsnetz. Mit der Inbetriebnahme einer der weltweit modernsten STATCOM-Anlagen hat der Netzbetreiber Amprion jetzt einen technologischen Meilenstein gesetzt – mitten in der Metropolregion Rhein-Neckar.
Rund 58 Millionen Euro hat Amprion in die neue STATCOM-Anlage am Standort Rheinau investiert. Sie wurde in zweieinhalb Jahren Bauzeit errichtet und ergänzt ein Umspannwerk, das bereits seit über 100 Jahren ein zentraler Knotenpunkt im südwestdeutschen Stromnetz ist. Der symbolische Startschuss zur Inbetriebnahme fiel im Rahmen eines Festakts mit Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker und Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht.
„Die Struktur der Energieversorgung ändert sich grundlegend“, sagte Amprion-CEO Dr. Christoph Müller. „Wir gehen von zentraler zu dezentraler Erzeugung über – gleichzeitig fallen viele der begleitenden Systemdienstleistungen weg, die früher von großen Kraftwerken erbracht wurden. Anlagen wie die STATCOM sind nötig, um diese Funktionen künftig eigenständig bereitzustellen.“ Es gehe dabei um nicht weniger als einen systematischen Umbau des Energiesystems, so Müller: „Die sichere Stromversorgung bleibt das Rückgrat des Industriestandorts Deutschland.“
STATCOM steht für „Static Synchronous Compensator“. Dahinter verbirgt sich leistungselektronische Hochtechnologie, die Spannungsschwankungen im Übertragungsnetz in Echtzeit ausgleicht. Eine Aufgabe, die in der Vergangenheit überwiegend durch die rotierenden Generatoren großer konventioneller Kraftwerke erledigt wurde – Anlagen, die mit fortschreitender Dekarbonisierung zunehmend vom Netz gehen.
Die neue STATCOM in Mannheim ist mit der SVC PLUS-Technologie von Siemens Energy ausgestattet und zählt mit einem Blindleistungsbereich von +/- 600 Mvar bei 380 Kilovolt zu den leistungsfähigsten weltweit. Durch ihre dynamische Regelung trägt sie maßgeblich zur Spannungshaltung bei – einem Aspekt, der im Zusammenhang mit Versorgungssicherheit lange unterschätzt wurde. Die Anlage kann nicht nur auf kurzfristige Netzveränderungen reagieren, sondern ist auch in der Lage, nach einem großflächigen Netzausfall einen schnellen Wiederaufbau zu unterstützen.
Für die Metropolregion Rhein-Neckar ist die neue Anlage mehr als nur ein Stück Infrastruktur. „Sie stärkt die Versorgungssicherheit in einem Wirtschaftsraum mit hoher industrieller Dichte und wachsender digitaler Infrastruktur“, betonte Oberbürgermeister Christian Specht. Rechenzentren, Fertigungslinien und Elektromobilität sind zunehmend auf stabile Stromnetze angewiesen – und werden zugleich selbst Teil eines volatiler werdenden Gesamtsystems.
Umweltministerin Walker bezeichnete die Inbetriebnahme als „ein wichtiges Signal dafür, dass klimafreundliche Modernisierung auch im laufenden Betrieb möglich ist“. Die Umsetzung des Projekts belege, dass die Technologien für eine klimaneutrale Energieversorgung bereits heute verfügbar seien. „Jetzt braucht es den politischen Willen, sie konsequent zum Einsatz zu bringen.“
Amprion betreibt ein Höchstspannungsnetz mit über 11.000 Kilometern Länge – von der Nordsee bis zu den Alpen. Die Transformation dieses Netzes gilt als eine der zentralen technischen Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität. Neben dem Ausbau von Leitungen werden dafür gezielt Anlagen wie STATCOMs, Phasenschieber oder regelbare Ortsnetztransformatoren benötigt, um den Netzbetrieb unter sich rasch ändernden Rahmenbedingungen stabil zu halten.
Mannheim ist damit nicht nur Standort eines Pilotprojekts, sondern auch exemplarisch für die neue Rolle von Infrastruktur im Energiesystem von morgen. Versorgungssicherheit, Netzintelligenz und Flexibilität sind nicht länger rein technische Begriffe – sie sind zu entscheidenden Standortfaktoren für Wirtschaft, Gesellschaft und ökologische Transformation geworden.