Fr., 06.09.2024 , 11:52 Uhr

Neckarbischofsheim: „Kann das wirklich Ihr Ernst sein?“ - Bürgermeister Seidelmann kritisiert Land für Kürzungen bei Integrationsarbeit scharf

Neckarbischofsheim. Thomas Seidelmann, parteiloser Bürgermeister in Neckarbischofsheim und Freund der Familie des Ende Mai in Mannheim getöteten Polizisten Rouven Laur, hat sich mit einem offenen Brief an die Landeregierung Baden-Württemberg gewandt. Darin kritisiert der Politiker Kürzungen bei der Integration scharf.

Die für die Integrationsarbeit notwendigen 1,5 Stellen existieren nach Angaben von Seidelmann seit Juni/Juli 2018. Die Landesförderung habe diese Kosten dieses Integrationsmanagements bisher nahezu vollständig in Form von Zuschüssen erstattet. Hier habe das Land Baden-Württemberg nun eine Veränderung verfügt.

„Dass nur noch der Landkreis Empfänger der Fördermittel sein kann, bedeutet für uns vor Ort konkret eine weitere Bürokratisierung und daraus resultierend im Endeffekt eine Kürzung der zur Verfügung stehenden Stunden für diese Integrationshilfe für unsere Gemeinden, da die Fördersumme auch stark gesunken ist“, teilte Seidelmann im Brief mit. Die Fördersumme im Rhein-Neckar-Kreis sei um 57 Prozent gesunken.

Seidelmann spricht von Skandal

„Kann das wirklich Ihr Ernst sein?“, fragt Seidelmann. Es sei gerade einmal zwei Monate her, als ein aus Neckarbischofsheim stammender Polizist von einem offenbar schlecht integrierten Menschen getötet wurde. „Sie beide, Herr Minister Strobl und Frau Ministerin Gentges, waren mit fast allen Vertretern in Bundes- und Landtag aus unserem Kreis zum Gedenken in Neckarbischofsheim.“ Eine Woche später habe Ministerpräsident Winfried Kretschmann sichtlich betroffen zugehört, als Seidelmann den Brief der Eltern des Ermordeten bei der Trauerfeier im Mannheimer Rosengarten verlas.

In der Folge hätten die Menschen so viele Appelle aus der Politik gehört: Es werde sich etwas ändern, es müsse mehr für die Polizei und die anderen Mitglieder der Blaulichtfamilie getan werden, und es müsse sich auch etwas an der Integrationspolitik ändern. Das seien alles gute und sinnvolle Vorsätze. „Oder, um es mit den Worten von lhnen, Herr Minister Strobl, kürzlich im SWR zu sagen: Rouven Laurs Tod darf nicht sinnlos gewesen sein“, schrieb Seidelmann in seinem Brief an die Landesregierung.

„Für meinen Gemeinderat und mich ist es deshalb ein Skandal, dass Sie jetzt genau dort die Axt ansetzen, wo gelingende Integration vor Ort gemacht wird“, schrieb er weiter. Sprachkurse würden zurückgefahren, Geld für die Integrationsarbeit gekappt.

Kürzungen beim Integrationsmanagement „eine Farce“

Das Integrationsmanagement funktioniere, jedoch sollen künftig mehr als 50 Prozent der Mittel weggenommen werden: „Eine Farce!“, schreibt Seidelmann. Die Kommunen leisteten wichtige Arbeit für Land und Bund. „Wie können Sie die Städte und Gemeinden, die ja nach Ihrer eigenen Aussage die Orte der Wahrheit sind, so im Stich lassen und der Integration einen derartigen Bärendienst erweisen?“, fragt Seidelmann.

Was der Bürgermeister seit der Tragödie um Rouven Laur erfahre, mache ihn traurig und fassungslos. „Parteiübergreifend sollten Sie sich bewusst sein, dass solche Kürzungen nicht unerheblich an der derzeitigen Erosion des Vertrauens in die Politik beteiligt sind“, schrieb Seidelmann und kündigte an, mit dem Gemeinderat zu sprechen, um diese Sparpolitik überprüfen zu lassen.

„Wäre es angesichts aktueller Entwicklungen nicht dringend geboten, die Kürzung beim Integrationsmanagement in eine Ausweitung der Mittel zu verwandeln und zur Einsicht zu kommen, dass Sparen an anderer Stelle deutlich sinnvoller wäre?“, fragt der Politiker aus Neckarbischofsheim. Es sei die Pflicht der Regierung, Integration vor Ort in den Städten und Gemeinden mit zusätzlichen Finanzmitteln zu unterstützen.

Neckarbischofsheim übernimmt Differenz – Seidelmann hofft auf Gespräche

Die Regierung könne froh sein, dass der Gemeinde Integration etwas wert sei. Sie habe deshalb im Gemeinderat einstimmig beschlossen, die Differenz zwischen früherer und künftiger Fördersumme aus der eigenen Kasse zu bezahlen. Das sei wahrlich keine einfache Aufgabe, konkret betragen die Mehrkosten 75 000, Neckarbischofsheim trage davon 16 000 Euro, was für die Kleinstadt sehr viel Geld sei. Seidelmann hofft, dass die Landesregierung das Gespräch suche und die Entscheidung korrigiert. (dls)

Mehr zum Thema: 

Bürgermeister von Neckarbischofsheim im RNF-Talk zur Mannheimer Messerattacke (Video, 10.6.2024)

Rhein-Neckar: SPD im Kreis beklagt Kahlschlag bei der Integrationsfinanzierung (5.8.2024)

 

 

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