Mo., 16.10.2023 , 08:13 Uhr

Rheinland-Pfalz: Klimawandel im Weinbau - Neue Anbaugebiete und neue Krankheiten

Wein von den Nordseeinseln und der Mecklenburgischen Seenplatte: Der Klimawandel macht den Anbau in kühleren Regionen möglich, bringt aber auch traditionelle Lagen unter Druck.

Von Ira Schaible, dpa

Mainz. Das größte Weingut im Norden Deutschlands unweit der Mecklenburgischen Seenplatte produziert auf 30 Hektar Landwein. Der 1999 am Schloss Rattey begonnene Weinanbau kann auch wegen des Klimawandels weiter wachsen, in etwa zwei Jahren sollen es 40 Hektar sein, wie Enrico Richter sagt, der Direktor des zum Weingut gehörenden Hotels. Das Weingut liege aber außerhalb der 13 deutschen Weinanbaugebiete, von denen Saale-Unstrut – das sich bis nach Brandenburg erstreckt – als das nördlichste gelte, sagt der Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbands Christian Schwörer.

Der Klimawandel macht Weinbau an Orten möglich, an denen dies vor Jahrzehnten noch unvorstellbar war. Er bringt aber auch traditionelle Anbaugebiete unter Druck. Für den Winzer Andreas Roll vom bio- dynamischen Gustavshof im rheinhessischen Gau-Heppenheim etwa ist klar, dass die «Top-Weinlagen von früher nicht mehr die Top-Weinlagen von morgen sein werden».

Die Temperaturen seien seit 1988 auf ein Niveau gestiegen, das es zuvor 300 Kilometer südlicher gegeben habe, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. «Es gibt mittlerweile Weinbau in Niedersachsen, aber auch auf den Inseln in Nord- und Ostsee – Sylt, Föhr, und Rügen», schildert Schwörer eine Folge. «Anders als Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ist Niedersachsen aber noch nicht Landwein-Gebiet», sagt Büscher. Dort könne bisher nur ein Tropfen der Kategorie «Deutscher Wein» produziert werden. «Das kann sich jedoch ändern», sagt Schwörer.

Trotz der neuen Weinbaugebiete im Norden Deutschlands wächst die gesamte Rebfläche aber kaum. «Innerhalb der vergangenen zehn Jahre war sie praktisch stabil», sagt Schwörer. Das Plus habe 1,2 Prozent betragen. Vereinzelt würden auch Lagen aufgegeben. Die Gründe hätten aber nichts mit dem Klimawandel zu tun, sondern hingen meist mit ökonomischen Aussichten, Arbeitswirtschaftlichkeit und Schwierigkeiten bei der Betriebsnachfolge.

Im Norden würden vorwiegend neue pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwi) angebaut, berichtet Büscher. «Wenn sich der Weinbau dort noch stärker etabliert, könnte die Fokussierung auf die Piwis ein Wettbewerbsvorteil werden.» Denn der Klimawandel führe immer öfter zu starkem Mehltaubefall, der diesen Sorten nichts ausmacht. Er bringe aber auch neue Probleme. So nehme etwa die von Pilzen verursachte Esca-Krankheit der Reben zu – und neue Erreger kämen dazu.

Eingewanderte Zikaden verursachten beispielsweise die zuvor unbekannte Schwarzholzkrankheit. «Die Triebe verholzen nicht und werden schwarz», erläutert Büscher. «Die Trauben trocknen ein und werden bitter.» Besorgniserregend sei auch die mögliche Ausbreitung der Goldgelben Vergilbungskrankheit, die in Frankreich schon verbreitet sei. «Dabei werden die Blätter gelb und welken frühzeitig», sagt Büscher. «Außerdem schrumpfen – ähnlich der Schwarzholzkrankheit – die Beeren, die dann auch bitter werden.»

Im größten deutschen Anbaugebiet Rheinhessen seien Weinberge auf den Nordhängen vor dem Jahr 2000 noch unbeliebt gewesen und teilweise spöttisch belächelt worden, schildert Roll den Wandel. Denn die Sonne sei immer der begrenzende Faktor gewesen. «Je idealer eine Lage nach Süden ausgerichtet war und je steiler der Weinberg, desto mehr Sonne konnte er „einfangen“ und desto besser reiften die Trauben», stellt der Winzer aus dem Familienbetrieb fest. «Wenn dann noch ein windgeschütztes Kleinklima und spezieller Boden hinzu kam, so war es die perfekte Weinbergslage und sie wurde weltberühmt.» Geregnet habe es fast immer genug.

Von 1985 bis 2000 habe es vielleicht alle fünf Jahre einen Top-Jahrgang gegeben, erinnert sich Roll. 2000 bis 2020 sei schon jedes zweite bis dritte Jahr überdurchschnittlich gut gewesen. «2011, 2012 und 2013 waren dann erstmal drei richtig überdurchschnittlich gute Jahrgänge in Folge.» Seither folgte ein außergewöhnliches Jahr auf das andere – seit 2018 kam die extreme Trockenheit hinzu.

Spätestens seit 2018 gebe es die Situation, dass Sonne immer häufiger überproportional vorhanden sei. Die Folge: «Wasser beziehungsweise die Wasserverfügbarkeit der Böden werden zu den begrenzenden Faktoren.» Ehemals berühmte Weinlagen würden zu heiß und litten sicht- und schmeckbar unter Trockenheit und Hitze. Es bringe inzwischen Vorteile, Reben in Nordhänge zu pflanzen, sagt Roll. «Und es macht Sinn mit den Weinbergen an den Hängen immer weiter nach oben bis auf die Hochebenen Rheinhessens zu wandern, um kühlere Bedingungen für die Reben zu haben.» (dpa)

Klimawandel landwirtschaft rheinland-pfalz Weinbau

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